Familien auf der „Psychocouch“?

Weshalb wir uns schwer damit tun, Psychotherapie und Familie sichtbar zu machen

Ich hätte gerne mit einer persönlichen Geschichte oder einem Erfahrungsbericht begonnen. Aber genau da liegt in diesem Fall leider das Problem. Das Problem selbst ist das Problem. Dass Probleme als solche nicht erwünscht, nicht ernsthaft vorhanden sein sollen und wir, wenn überhaupt, von diesen nur in seltenen Fällen und dann als „Herausforderung“ getarnt sprechen würden. Trotz einiger „soziale Medien vs. Reality“-Posts sind wir es einfach nicht gewohnt, bestimmte Erfahrungsberichte zu lesen und es liegt nahe, dass wir diese und diejenigen, die sie aussprechen, dann entsprechend werten und Vorurteile daraus herleiten würden. Das will verständlicherweise niemand und so schließt sich leider der Kreis, dass ich an dieser Stelle keine Geschichten, von Familien erzählen kann, die erleichtert darüber sind, dass sie ihren Weg zur Hilfe gefunden haben, die als Familie widerstandsfähiger, lebensfroher und eben psychisch gesünder sind.

Und wie stehst du zum Thema psychische Gesundheit? Könntest du dir vorstellen, ein solches oder so ähnliches Gespräch zu führen: „Morgen geht’s nicht, da haben wir einen Psycho-Termin.“

Könntest du dir vorstellen, dieses Gespräch begonnen zu haben? Ganz offen davon zu erzählen, dass ihr als Familie psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmt? Was bei Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie gängig ist, ist in der Psychotherapie wohl noch immer die absolute Ausnahme.

Weil wir uns angreifbar machen, uns selbst stigmatisieren, uns offenbaren. Und damit auch unsere Familie und nicht zuletzt unsere Kinder. Und weil vermeintlich naheliegt, dass wir einen Fehler gemacht haben, in unserer Erziehung und damit auch in der Beziehung zu unseren Kindern.

Was wir in anderen Bereichen als ungünstigen Umstand, Unfall, vererbte Beeinträchtigung ansehen und damit respektieren, scheint uns im Bereich der Psyche wohl auf die Füße zu fallen.

Liegt die Angststörung am zu frühen Beginn der familienergänzenden Betreuung? Die Essstörung am fehlerhaften Essverhalten der Mutter? Das ADHS an einem turbulenten Lebensstart und zu viel Mediennutzung und die Lese-Rechtschreibschwäche unkonzentrierter Kinder doch sicher an den Eltern, die nie in Ruhe vorgelesen haben? Inwiefern diese Annahmen wissenschaftlich fundiert sind, ist dabei völlig egal. Hinter Kindern, deren psychische Verfassung nicht gesund erscheint, stehen aus Sicht unserer Gesellschaft häufig Eltern, die zu viel, zu wenig oder nicht das Richtige gemacht haben. Würden diese eine Therapie in Betracht ziehen, würde das einem Schuldeingeständnis gleichen.

Dass Therapie und Schuld einen direkten Zusammenhang hätten, dieser Glaubenssatz mag in den Köpfen vieler Familien und Eltern stehen und erschwert damit verständlicherweise den Schritt zur Psychotherapie.

Was wir dann in der Therapie erfahren können, ist, dass psychische Gesundheit von weit mehr Faktoren beeinflusst wird. Von Genetik, Herkunft, Erziehung und auch unserem selbst gewählten sozialen Umfeld und dieser Gesellschaft, die solch eine Meinung zu Therapie verinnerlicht hat.

Dabei bleibt die Chance auf der Strecke, die wir unseren Familien, Kindern und uns selbst durch Psychotherapie bieten könnten. Die Möglichkeit zur Reflexion, Weiterentwicklung, Veränderung, zu mehr Lebensqualität und einer psychisch-seelischen Widerstandskraft, die heute dringend notwendig ist.

Dabei bügelt die Psychotherapie nicht das aus, wozu wir als Eltern nicht in der Lage waren, sondern sie unterstützt uns in dem Bereich, in dem wir selbst keine Profis sind. Genauso wie wir keine Behandlungstechniken der Physiotherapie oder anderer medizinisch-therapeutischer Bereiche draufhaben. Wenn es uns gelingt, diese hilfreiche, dienliche Perspektive einzunehmen, sind wir auch nicht weit entfernt von unserer eigenen Reflexion und kommen vielleicht auch zu dem liebevollen, uns selbst gegenüber wertschätzenden Schluss, dass wir einiges hätten anders machen können und wir gleichzeitig immer so entschieden haben, wie es uns möglich war.

Vom (Sonnen-) Schein und Sein des Sommerurlaubs-

Warum Grundbedürfnisse keine Ferien kennen

„Gehen wir morgen echt schon wieder nur an den Strand?! Dann hätte ich mich ja gar nicht so auf den Urlaub freuen brauchen!“

Was wir uns als Eltern nun denken und vielleicht sogar sagen könnten: „Wie undankbar. Du weißt ja gar nicht wie gut du es hier hast. Bleibst du beim nächsten Mal eben bei Oma und Opa und wir fahren alleine in den Urlaub. Ist mit euch hier sowieso noch anstrengender als zuhause.“ Was eigentlich aus uns spricht: Enttäuschung, ein Gefühl der mangelnden Wertschätzung, Traurigkeit oder vielleicht sogar Wut.

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Flug in den Urlaub. Damals war ich sechs Jahre alt und es ging nach Mallorca. Ich war unglaublich aufgeregt und dachte, wir flögen ins Paradies. Da im Urlaubland ja alles noch schöner sein sollte als zuhause, hing die Latte also ganz schön hoch. Am Ziel angekommen enttäuschte mich die karge Landschaft und es gab weder mein Lieblingsessen, noch gewohnte Spielsachen, meine Freunde oder ein gemütliches Bett wie zuhause. Kurzum: Ich wollte lieber wieder heim.

Sind wir als Eltern in der Rolle derer, die Urlaubstage und Budget angespart, Mühe und Zeit in die perfekte Planung und Organisation gesteckt und tagelang die Koffer gepackt haben, sitzt so ein „hier ist’s doof, ich will heim“ irgendwie gewaltig.

Versuchen wir das Dilemma aus der Vogelsperspektive zu betrachten: Was bedeutet Urlaub und Entspannung für uns Eltern?  Weniger Verpflichtungen, mehr Selbstbestimmung, dazu ein bisschen Ruhe, ein nicht von uns gedeckter Tisch mit im besten Fall nicht von uns gekochtem Essen, ein bisschen Zweisamkeit. Kurzum: Entspannung wäre Care-Arbeitsentlastung, Verbindung zueinander und wiedergewonnene Autonomie, die im Familienalltag zuhause zu kurz kommt.

Was wir bekommen: Mehr-Arbeit im Vorfeld wie im Nachgang, vor Ort daueraufgeregte Kinder, die abends nicht einschlafen können, dann aber lieber ins Elternbett kommen und 24/7 Zuständigkeit mangels Betreuungsoptionen. Je nach Unterbringung: Kochen wie zuhause oder teure Restaurantbesuche „on top“. 

Vorab sollten wir wissen: Damit sich unsere Kinder entspannen können, müssen ihre emotionalen Grundbedürfnisse- Autonomie, Verbindung und Sicherheit befriedigt sein. Und da liegt die Schaufel im Sand begraben. Wenn wir uns vor Ort (noch) nicht auskennen und als Eltern die Autonomie der Kinder somit beschränken müssen, schafft das Frustration. Wenn Freunde und Familie zuhause und die Eltern selbst vor Urlaubsstress nicht bereit sind, in Verbindung zu ihren Kindern zu gehen, bleibt auch dieses Grundbedürfnis ungesehen. Wenn dann generell auch noch nichts ist wie daheim, ist die Sicherheit dahin. Kurzum: Da kann das Bananenboot schon einmal ins Schaukeln geraten oder gleich kentern.

Das Gute ist: Mit zunehmenden Urlaubstagen steigt die Chance auf Urlaubs-verbindungen, wir finden uns alle in der neuen Umgebung zurecht, gewinnen an Sicherheit und können dann auch wieder mehr Autonomie gewähren.

Im Übrigen gelten die emotionalen Grundbedürfnisse ebenso für uns Eltern. Auch wir gewinnen mit der Zeit an Sicherheit, unterhalten uns mit dem Nachbartisch, werden kreativ, um mit dem/der Partner/in Zeit zu verbringen und unsere Verbindung zu stärken und gelangen auch dann zu mehr autonomen Momenten, wenn es unsere Kinder ebenfalls tun.

Aus welcher Perspektive wir die „schönsten Wochen des Jahres“ sonst noch betrachten könnten. Hier ein kleiner „Reiseführer“:

Überlegen wir uns als Eltern vorab, welches unserer eigenen Grundbedürfnisse dringend aufgetankt werden müsste. Wollen wir am liebsten den ganzen Tag von unserer Familie umgeben sein oder ist es die eigene Autonomie, die grad bei uns im Fokus steht? Brauchen wir Gewohntes, das uns Sicherheit gibt oder haben wir so richtig Lust darauf, einmal abenteuerlich über den Tellerrand zu schauen und die Sicherheitszone zu verlassen?

Sprechen wir, je nach Alter, mit unseren Kindern und finden heraus, was Urlaub für Sie bedeutet. „Wie könnte ein Tag aussehen, der dich richtig freudig macht? Wobei kannst du Kraft tanken?“ Erfühlen wir, was unsere Kinder momentan brauchen. Sind es feste, sicherheitsspendende Rituale, versuchen wir diese auch im Urlaub beizubehalten. Nutzen wir den Urlaub und frei gewordene Ressourcen vielleicht für das Begleiten unserer Kinder in deren Autonomie. Warum nicht also gerade jetzt Schwimmenlernen? Auch Zeit mit einem Elternteil alleine, kann die Verbindung zueinander vertiefen und in der Urlaubssituation besser umzusetzen sein.

 Wie auch immer unser Sommerurlaub in diesem Jahr aussehen soll- versuchen wir im Vorfeld bei unserem Wunsch nach Entspannung genau hinzuspüren. Was ist es, was wir, Große wie Kleine, wirklich brauchen und wie können wir gut miteinander kommunizieren und uns gegenseitig diese Räume zum Krafttanken ermöglichen.

Eine kraftvolle, entspannte Urlaubszeit wünsche ich euch!

Eure Sonja

Praxis Samtweiss, Familie, Beziehung, Bindung

erschienen in: Mamamia Würzburg, Juni 2023

Bei wem bist du richtig? Psychologe/in, Psychotherapeut/in oder Heilpraktiker/in für Psychotherapie, in und um Würzburg

Zuallererst sei gesagt: Richtig bist du da, wo du dich wohlfühlst und du das Gefühl hast, du selbst sein zu können. Wo du in deinem Wesenskern wahrgenommen und authentisch, empathisch und wertschätzend empfangen wirst. Und dazu gibt es ein paar Feinheiten, die die Entscheidung fallen lassen, welche psychologische Hilfe genau du in Anspruch nehmen möchtest.

Bei wem bekomme ich überhaupt psychologische Hilfe?

Was umgangssprachlich als „Psychologe/in“ im klinischen Sinne bezeichnet wird, ist eigentlich ein/e Psychologische/r Psychotherapeut/in. Hierzu gehört ein Psychologiestudium und im Anschluss (nach bisherigem Ausbildungsstand) ein Psychotherapiestudium, um später in der ambulanten oder stationären Psychotherapie zu arbeiten.

Richtlinienverfahren?!

Bei Psychologischen PsychotherapeutInnen kannst du eine Psychotherapie unter Richtlinienverfahren beginnen. Das bedeutet, hier finden vor allem die klassische „Kognitive Verhaltenstherapie“ oder die “Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ statt. Richtlinienverfahren werden von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, vorausgesetzt sind probatorische Sitzungen, die zum Ziel haben, herauszufinden, ob Therapeut/in und Patient/in gut zusammenarbeiten können und ob die „Chemie“ stimmt.

Was macht ein/e Psychiater/in?

Kommt der Therapeut zu einer bestimmten Diagnose, die eine medikamentöse Behandlung erfordert, z.B. eine Psychose, Schizophrenie oder schwere Depression, gehört diese häufig in die Hände eines/r Psychiater/in. Hier liegt der Schwerpunkt auch auf dem medizinischen Aspekt.

Und was ist ein/e Heilpraktiker/in für Psychotherapie?

Ein/e Heilpraktiker/in für Psychotherapie verfügt in der Regel nicht über das klassische Psychologiestudium und eine Fachausbildung in Psychotherapie. Dafür kommen diese Fachleute aus einem individuellen Grundberuf und haben eine staatlich anerkannte Prüfung am Gesundheitsamt zum/r Heilpraktiker/in für Psychotherapie abgelegt, die dann als Grundlage diente, um sich in Therapieformen fortzubilden, die ihnen am Herzen liegen und mit denen sie ihren KlientInnen begegnen möchten. Das können zum Beispiel Systemische Verfahren, Hypnose/Hypnotherapie oder Gesprächspsychotherapie sein, aber auch ganz andere kreative oder tiergestützte Therapien.

In der Regel gibt es hier keine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse, aber durchaus anteilige Übernahme bei privat Versicherten oder einer privaten Zusatzversicherung. Verpflichtende probatorische Sitzungen entfallen, du bekommst recht häufig einen Termin ohne lange Wartezeit und kannst Termine wahrnehmen, die individuell an deine Bedürfnisse angepasst sind. Das heißt, dass fest vorgegebene Minutentaktungen entfallen und der/die Therapeut/in mit dir deine Ziele erarbeiten kann, wie es euch entspricht. Depressive Verstimmungen/Depression, Burn out/Erschöpfungsdepression oder Schlafstörungen sind beispielsweise ganz typische Diagnosen, denen ein/e Heilpraktiker/in für Psychotherapie mit dir gemeinsam begegnet, ohne dass Antidepressiva dabei zum Einsatz kommen. 

Falls du noch weitere Fragen hast, sprich mich gerne an! Deine Sonja